Bei uns ist die Methode, Gedanken und Vorstellungen umlenken zu können, umstritten. Und das, obwohl der wissenschaftliche Wirksamkeitsnachweis für Krankeiten wie Depression, Stress- und Schmerzerkrankungen erbracht ist. Für die Hirnforschung sind die guten Erfolge mit achtsamkeitsbasierten Trainingsverfahren kein Zufall. … Wir können tatsächlich die Verarbeitung von so einem Schmerzreiz im Gehirn durch unsere Gedanken und Vorstellungen beeinflussen. Und dann ändert sich auch physiologisch etwas im Gehirn. Also solche Wahrnehmungstrainings ändern dann im Gehirn tatsächlich die Verbindungen auch zwischen Nervenzellen und können sie verstärken oder abschwächen und entsprechend dann auch eine Wirkung haben auf das, was wir empfinden, so die Hirnforscherin Prof. Herta Flor.
Mit der Achtsamkeits-Methode ergibt sich ein großes Behandlungspotential, das bisher in Deutschland noch viel zu wenig genutzt wird.
SWR (Südwestrundfunk), Sendung vom 15.11.2007
Achtsamkeit ist eins der ganz großen Wörter der Meditationspraxis. Es stammt, wie so vieles im geistigen Umfeld der Versenkung, aus dem Buddhismus. Wem religiöse Riten und rigides Regelwerk nicht liegen, der muss sich vom spirituellen Hintergrund der meisten Meditationspraktiken nicht abschrecken lassen.
Seit einiger Zeit schon gibt es aus ihrer Weltanschauung herausgeschälte Methoden seelischer Besinnung, die nun allen offen stehen, ganz gleich was sie glauben oder eben nicht. Die Mediziner Herbert Benson von der Harvard Universität und Jon Kabat-Zinn von der nahen University of Massachusetts Medical School in Boston haben schon vor etwa 30 Jahren versucht, östliche Theorie und Tradition in westliche Praxis zu übersetzen. Auch heute erfahren ihre Methoden und dazu ein paar Abwandlungen regen Zulauf. Die „Achtsamkeit“ verliert durch solche Verweltlichung nicht an Bedeutung. Hinter diesem Begriff verbirgt sich eine große Kunst, die in ihrer simpelsten Beschreibung trotzdem ganz leicht klingt: Um achtsam zu sein, müssen wir den Strom der Gedanken, Gefühle und Körpererregungen wahrnehmen, der unablässig durch uns hindurch strömt. Und es strömt auch dann, wenn wir es nicht merken. Das sagen inzwischen nicht nur Meditationslehrer und Yogis, sondern auch Hirnforscher. Unablässig vergewissert sich das Gehirn, ob der restliche Körper noch da ist und er registriert dabei auch, ob ihm etwas fehlt oder ob er sich in der ruhigen Balance der inneren Kräfte befindet ….
Diese andauernde Kommunikation lässt sich nutzen. Wer spüren will, wie es um ihn steht, der muss sich nur still an das Ufer dieses Flusses setzen, tief durchatmen und dann mit mehr oder minder ausgeprägten Techniken beobachten … Mit inzwischen auch im Westen weit verbreiteten „Achtsamkeitsübungen“ steht für die innere Schau jedenfalls ein Mittel zur Verfügung, dass sich über Jahrtausende bewährt hat.
„Stern“ Heft 40 , September 2007
Nicht die Dinge selbst, sondern die Vorstellungen von den Dingen, beunruhigen die Menschen“, Epikur (Philosoph vor ca. 2000 Jahren) „Durch den Stress, den der ständige Wechsel zwischen mehreren Aufgaben auslöst, werden unsere höheren Denkfunktionen abgeschaltet: Anstatt zu überlegen und bewusst zu agieren, reagieren wir nur noch impulsiv, wir entwickeln einen Tunnelblick, machen Fehler, treffen falsche Entscheidungen. Der Stress beeinträchtigt im Gehirn die Areale, die zwischen wichtigem und unwichtigem unterscheiden. Da hilft nur eins: innehalten.
„Emotion“, Juli 2007
Eine Prävention gegen Depressionen ist, das eigene Erleben zu zulassen. Traurigkeiten, Enttäuschungen, Verzagtheit und Deprimiertheit gehören zum Leben, genauso wie Freude und Zufriedenheit. Ich stelle fest, dass, in dem Moment, in dem ein Mensch diese Gefühle akzeptiert, sich nicht mehr dagegen stemmt, der Teufelskreis unterbrochen wird. Je mehr ein Mensch wagt, auch in diesem elenden Zustand seine Gefühle wahrzunehmen, so weit sie noch da sind, um so besser die Prognose. … Es ist mir wichtig, dass ich selbst in beiden Bereichen – Arbeit und Freizeit – achtsam bin, spüre wie ich mich fühle, jetzt in diesem Augenblick.
Prof. Daniel Hell, Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, „Psychologie Heute“ August 2007
Es gibt inzwischen zahlreiche Studien, die belegen, dass ein gezieltes Training von Achtsamkeit und Mitgefühl deutlich gesundheitsfördernde Wirkung hat. Eine höhere Stressresistenz, mehr positive Emotionen, Verringerung von Schlafstörungen und Stress.
Prof. Dr. Dr. Dipl. Psychologe Andreas Remmel, Ärztlicher Direktor des Psychosomatischen Zentrums Waldviertel/Österreich – Magazin des Kölner Stadt-Anzeigers, Nr. 148, 29.6.2007
Achtsamkeit ist die Kunst, im viel zitierten „Hier und Jetzt“ des Augenblicks präsent zu sein. Klingt doch einfach. Ist aber tatsächlich das anspruchvollste Programm der Welt. … Aber angenommen, wir könnten nur ein klein wenig davon verwirklichen, eine Prise, einen Hauch? Wenn wir aufmerksamer sein könnten. Uns selbst gegenüber und unserem Partner. Wenn wir die Sichtweisen und Erfahrungen des anderen genauso gelten lassen könnten wie unsere eigenen. Wie viel einfacher und liebevoller wären das Leben und die Liebe.
Oskar Holzberg „Brigitte“ 14/2006
„Zu den derzeit wichtigsten achtsamkeitsbasierten Ansätzen zählt die Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR) nach Jon Kabat-Zinn. … Empirische Studien weisen darauf hin, dass MBSR zu einer Verminderung von Stress, Angst und Dysphorie (banale Alltagsverstimmung sowie depressive Stimmung, Anm. E. Frommhagen) beitragen kann. Wie die Psychologin Ph. D. Ruth Baer von der University of Kentucky berichtet, belegen verschiedene Studien, dass mit MBSR auch Behandlungserfolge bei chronischen Schmerzen, Fibromyalgie, Panikstörungen und Binge Eating Disorder erzielt werden konnten.
… Achtsamkeitsbasierte Interventionen können leicht erlernt werden und später von den Patienten auch selbstständig durchgeführt werden. Sie decken zahlreiche Indikationen ab … . Achtsamkeitsbasierte Ansätze können richtungsweisende Impulse für die Psychotherapie im 21. Jahrhundert liefern. …
Dr. phil. Marion Sonnenmoser, „Deutsches Ärzteblatt“, Ausgabe September 2005